Die Geschichte der Freimaurerei in Hoya

In Hoya, einem kleinen Städtchen mit etwa 4000 Einwohnern, gibt es eine Freimaurer-Loge. Das ist erstaunlich. Noch bemerkenswerter ist, dass diese Loge bereits 1786 als vollkommene und gerechte Loge anerkannt wurde. In den benachbarten größeren Städten geschah Vergleichbares bedeutend später: in Nienburg 1815 und in Verden erst 1857. Das ist zunächst rätselhaft. Eine Lösung findet sich erst, wenn man in die Vergangenheit zurückblickt, wenn man in die Geschichte dieser Loge mit dem merkwürdigen Namen „St. Alban zum Aechten Feuer“ schaut.

Die Vorgeschichte der Logengründung spielt in Hildesheim und ist kein Ruhmesblatt für die Freimaurerei, aber eine Geschichte von Betrug und Vertrauensseligkeit. Eine Story für die Bildzeitung. Heimann heißt der Betrüger, er hat sich den Titel Experimental-Physik Professor gegeben. Die Betrogenen sind ehrenwerte Hildesheimer Bürger. Heimann betreibt eine Logengründung, und das gelingt am 1. Oktober 1780; er findet für sein Vorhaben seriöse Hildesheimer, darunter den Mediziner Johann Georg David Ellisen.

Die Loge erhält den Namen „St. Alban zum Aechten Feuer“ und tagt an jedem Sonntag. Heimann versichert seinen Brüdern, dass er von der Großloge in London eine Konstitution einholen werde. Er liest ihnen auch das entsprechende Schreiben vor, das von ihnen unterschrieben wird und schon am nächsten Tag zur Post gehen soll. Man vertraut ihm. Als er jedoch mit der Logenkasse und geliehenem Geld verschwunden ist, wird offenbar, dass man auf einen Betrüger hereingefallen ist. Am 5. Dezember 1780 „wurde der Br. Heimann als ein so unwürdiger Br. vors erste wegen schlechter und diebischer Streiche, die er an den übrigen Brüdern und (der) Loge verübet, gänzlich von dem Eintritt der Loge ausgeschlossen; was weiter mit ihm vorzunehmen ist, wird die Sehr Ehrwürdige Loge zu Frankfurth bestimmen:“

(Freimaurer-Zeitung, Oktober 1850, Leipzig, S. 325 ff.)

Damit endet die kurze Geschichte dieser Hildesheimer Loge. Aber der Name der Loge und der Mediziner Ellisen werden noch eine wichtige Rolle spielen.

Johann Georg David Ellisen kommt etwa 1781 nach Hoya. Die Verwaltung des Kurfürstentums Hannover hat ihn dort als Stadtphysikus eingesetzt. Er ist also eine Art Gesundheitsamt. In dieser Funktion veröffentlicht er bereits im Dezember 1782 seine bedeutende Schrift „Medicinische Ortbeschreibung des Städtchens Hoya“. Er untersucht darin die geographischen und klimatischen Gegebenheiten Hoyas und die Lebensgewohnheiten und bringt sie in Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand und den Krankheiten der Einwohner. Damit liegt für die Geschichte des Städtchens Hoya eine ganz wichtige Quelle vor; außerdem haben viele Beschreibungen und Ausführungen über Hoya hinaus Gültigkeit. Ellisens Untersuchung ist fortschrittlich und geht auf eine Anregung des berühmten Göttinger Professors Johann Beckmann zurück, der übrigens 1739 in Hoya geboren wurde.

Ellisen ist, wie wir wissen, Freimaurer; er gehört auch noch 1785 einer Hildesheimer Loge an. In Hoya jedoch gibt es keine Loge. Aber Freimaurer leben hier und in der Umgebung, z.B. der Oberdeichgräfe Ernst August Meier. So beginnt Ellisen, in Hoya eine Loge zu gründen. Leider liegen über diese Vorbereitungszeit keine schriftlichen Unterlagen vor. Die Anerkennung als vollkommene und gerechte Loge ist jedoch dokumentiert. Am 27. Marty 1786 heißt es im Protokoll der Provinzialloge zu Frankfurt am Main: „Resolutum: Den Brüdern in Hoya die verlangte Constitution auszufertigen und zuüberschicken.“ Diese reguläre Loge erhält die Matrikelnummer 150 und trägt den Namen „St. Alban zum Aechten Feuer“. Gleichzeitig ist sie dem fortschrittlichen Eklektischen Bund angeschlossen. Ellisen geht noch im selben Jahr nach St. Petersburg und übergibt vorher am 18. Mai 1786 den Hammer als Meister vom Stuhl an seinen Nachfolger den Oberdeichgräfe Ernst August Meier.

Im Jahr 1786 hat die Loge bereits 12 Mitglieder, darunter 2 Hoyaer Kaufleute, den Gerichtsverwalter Scharff, den Chirurgus Tolle und fünf Offiziere des 5. Infanterieregiments. Obwohl noch drei weitere Mitglieder gewonnen werden, muss die Loge am 27. Juli 1789 vorübergehend ihre reguläre Logenarbeit einstellen, da die Anzahl der anwesenden Brüder nicht ausreicht. Mehrere Brüder haben ihren Wohnort gewechselt oder sind bereits gestorben.

Was in der Zeit passiert, als die Logenarbeit ruht, lässt sich noch nicht genau ermitteln. Auf jeden Fall wird 1796 und 1797 jeweils ein Bruder aufgenommen, per Protokoll, ohne Logenarbeit.

Erst am 18. September 1799 kommen die Brüder wieder zusammen und besetzen die Logenämter neu. Die Zusammenkünfte finden jetzt regelmäßig jeden Monat statt, aber der Loge fehlt noch die offizielle Anerkennung. Die folgt erst am 29. November 1801: Der Meister vom Stuhl „zeigte denen Brüdern die von der Provinzialloge zu Hannover ertheilte Constitution vor, welche zugleich verlesen wurde.“ Die Loge kann endlich wieder ihre reguläre Arbeit aufnehmen.

In der Zwischenzeit hatte es in Hoya eine weitere Loge gegeben, eine sog. Feldloge, die von 1796 bis zum 30. April 1801 existierte. Solche Logen wurden für die Militärs bei Hauptquartieren errichtet oder auch in Kriegszeiten während der Feldzüge. In diesem Fall hatte die Provinzial-Großloge zu Hannover eine solche Einrichtung konstituiert: die „Freimaurer-Feld-Loge Sanct Johannes zum Degen beym Chur-Hannöverschen Haupt-Quartier zu Hoya“. Zwischen der ruhenden Loge St. Alban und der Feldloge gibt es natürlich Verbindungen. Allein durch die Mitgliederlisten lässt sich belegen: Zwei Brüder von St. Alban gehören gleichzeitig zur Feldloge; zwei andere Brüder wurden durch die Feldloge aufgenommen und werden dann Mitglied bei St. Alban.

Eine besondere Rolle spielt dabei Johann Gottfried Heinrich Scharff (1769 – 1845), Gerichtshalter in Hoya. Er ist das entscheidende Bindeglied zwischen den beiden Logen: bei St. Alban ist er ab 1786 Sekretär, ab 1799 dann Meister vom Stuhl, in der Feldloge „substituirter 2ter Aufseher“. Scharff sorgt dafür, dass St. Alban 1799 die Arbeit wieder aufnimmt und 1801 die Konstitution aus Hannover erhält. Anscheinend ist er sogar bis 1843, als die Loge ihre Arbeit einstellt, Meister vom Stuhl geblieben.

Die Geschichte der Loge von 1801 bis 1843 muss noch bearbeitet werden. Es liegt reichlich Material in den Archiven, besonders in Berlin und in Hannover. Allerdings kann man schon vermuten, warum die Loge schließlich ihre Arbeit einstellen musste. Die Einwohnerzahl des kleinen Städtchens Hoya reichte nicht aus, um dauerhaft genug Mitglieder für eine Loge zu binden. Zudem hat im Laufe des 19. Jahrhunderts die Bedeutung Hoyas abgenommen, so dass ein Zuzug potentieller Mitglieder kaum noch stattfindet. Weiter ist die Geschichte der Loge eng verknüpft mit ihrem langjährigen Meister vom Stuhl Johann Gottfried Heinrich Scharff, der 44 Jahre die Geschicke der Loge leitet. Mit dem Nachlassen seiner Kräfte muss die Loge schon 2 Jahre vor seinem Tod ihre Arbeit einstellen. Scharff hat jedoch fleißig freimaurerische Schriften angefertigt und gesammelt. Im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin liegen über 2000 Seiten handschriftliche Akten, die auf eine Bearbeitung warten.

Es bleibt noch die Frage vom Anfang, warum in dem kleinen Städtchen Hoya schon 1786 eine Loge entstehen konnte. Das geht auf die Initiative von Johann Georg David Ellisen zurück. Ein Freimaurer kommt also nach Hoya, und ihm gelingt die Logengründung. Weil Ellisen 1781 nach Hoya kam, konnte schon 1786 eine vollkommene und gerechte Loge beurkundet werden. Wenn man so will, kann man sagen: „Die Loge wurde importiert!“

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